Die Gäste erfuhren, dass ein solches Projekt vor Ort wachsen und sich auf ehrenamtliches Engagement stützen muss, auf Leute, die einfach anfangen und sich dabei manchmal wie ein Robin Hood fühlen, wie es Hans-Jörg Etzler ausdrückte. Aber auch, dass die Unterstützung durch die Stadt nicht fehlen darf. In Arnsberg standen die Werkstattgespräche zur Attraktivitätssteigerung auf der Historischen Meile am Anfang. Hier war freies Internet auf dem Neumarkt ein Punkt unter vielen, den sich die Teilnehmer wünschten, um den Stadtteil voran zu bringen. Eine klassische Umsetzung über einen Hotspot eines kommerziellen Providers hätte an die 30.000 Euro an Investitionen und regelmäßige Gebühren gekostet. Bei Arnsbergs derzeitiger Finanzlage eine illusorische Vorstellung. Hier brachte Daniel Wagner, inzwischen auch Ratsmitglied der Piratenpartei, den Freifunkverein Rheinland ins Spiel. Der hat sich ein freies und soziales, unzensierbares und unabschaltbares Internet auf die nicht monetär interessierten Fahnen geschrieben.
Schon rund 100 Router stärken das Netz
Trotz allen ehrenamtlichen Engagements wäre das Projekt aber nicht gelungen, wenn nicht auch der Bürgermeister gesagt hätte, er wolle das, und als erster im Land den Internetanschluss der Stadt für ein solches Projekt zur Verfügung gestellt hätte, sagte Wagner. Und Etzler berichtete den Gästen von seinen immer erfolgreicheren Bemühungen, Mitstreiter zu finden. Inzwischen sind es schon rund 100 Geschäfts- und Privatleute, die mitmachen und das Netz stärken. Das geht durch das Aufstellen eines einfachen handelsüblichen Routers für 15 Euro und rund 3 Euro Stromkosten pro Jahr. Das geht auch durch Zurverfügungstellung überschüssiger Internetkapazität, wobei, so Etzler, niemand fürchten müsse, selbst Einschränkungen hinnehmen zu müssen. Die intelligente Software sichere jedem, was er gerade brauchte, ob 10, 90 oder 100 Prozent, das könne er aus eigener Erfahrung bestätigen.
Auf die Türme und von da in die Neustadt
Etzler und Wagner berichteten auch, dass das Projekt derzeit auf die Türme geht, um von dort in weitere Entfernungen abzustrahlen. Auf dem Glockenturm arbeitet bereits eine temporäre Installation, die die Sauerländer Spanplatte in Obereimer an das Netz anschließt. Eine dauerhafte Einrichtung soll hier in Kürze ebenso installiert werden wie auf dem Turm der Propsteikirche. Die evangelische Auferstehungskirche ist wegen zu hoher Brandschutzauflagen dagegen nicht mehr im Programm. Von den Türmen soll es voran gehen mit der Ausweitung des Netzes auf die andere Seite der Ruhr, aber auch ins Eichholz. Hans-Jörg Etzler zeigt gerne den Plan mit fünf Ausbauschritten. Schritt 1 ist verwirklicht, Schritt 2 und 3 sind Brückenplatz und Rumbecker Straße sowie der Gutenbergplatz, die in Kürze folgen sollen, Schritte 4 und 5 das Brückencenter und die Ruhrstraße, die ebenfalls angegangen werden sollen, sobald dort die Bauarbeiten abgeschlossen worden sind. Auch die Schulen, die Bezirksregierung und das Bürgerzentrum im Bahnhof sind Objekte, die ins Freifunk-Netz geholt werden könnten.
Weiterbildung bequem im Sessel eines Cafés
Die Schüler sind natürlich eine Hauptzielgruppe für das freie WLAN, aber auch die Touristen. Vor allem die ausländischen, die dann nicht mehr die teuren Roaming-Gebühren für ihr Smartphone oder Tablet zahlen müssen, und sich ohnehin wundern, dass es in Deutschland noch nicht gibt, was zum Beispiel in den Niederlanden schon selbstverständlich ist. Natürlich freuen sich die Gastronomen, dass sie ihren Gästen nun Internet bieten können, ohne sie mit zusätzlichen Kosten belasten zu müssen. Der Tourismus soll aber auch dadurch profitieren, dass Besucher künftig einfach mit ihrem Smartphone über einen QR-Code Informationen zu Arnsberger Sehenswürdigkeiten abrufen können, ohne vorher umständlich viele Seiten im Internet durchblättern zu müssen. Aber auch E‑Learning, Weiterbildung ganz bequem im Sessel eines Cafés, gehört zu den Zielen, ebenso E‑Government, die genauso bequeme Erledigung von Behördengängen. Auch die Übertragung eines Gottesdienstes aus einer Arnsberger Kirche in ein Seniorenheim wird durch das Freifunk-Netz möglich. Alles gehört zur Strategie für die Vision von einem lebendigen Stadtteil, so Etzler.
Für Flüchtlingsheime Brücke in die Heimat
Eine ganz andere Zielgruppe, die Hans Wulf, den Fraktionssprecher der Grünen im Arnsberger Rathaus, sofort interessiert hat, hat Daniel Wagner angesprochen. Der Pirat ist derzeit auch in Möhnesee und Neuenrade aktiv, wo nach Arnsberger Beispiel Freifunknetze entstehen. In der Gemeinde Möhnesee ist jetzt auch ein Flüchtlingsheim ans Freifunk-Netz angeschlossen worden. Und er habe, so Wagner, noch nie so viel Dankbarkeit erlebt wie dort bei den Flüchtlingen, die nun ganz einfach mit ihren Angehörigen in der fernen Heimat skypen können.
Freifunk jetzt auch von der Störerhaftung befreit
Und auch das große juristische Problem der Freifunk-Netze ist inzwischen gelöst. Die Störerhaftung, also die Haftung des Netzbetreibers für das, was seine Nutzer eventuell im Internet anrichten, eine so nur in Deutschland geltende Regelung, die nach Ansicht der Freifunker die großen Internet-Provider unangemessen bevorzugt, gilt für den Freifunkverein nicht mehr. Als erster nicht-kommerzieller Anbieter ist er als Provider anerkannt und damit von der Störerhaftung befreit. Die Hilfskonstruktion der Anfangszeit, das Freifunknetz über Server in den Niederlanden laufen zu lassen, kann deshalb jetzt zurück gebaut werden.
Die beiden Landtagsabgeordneten zeigten sich begeistert von den Eindrücken, die sie mitgenommen haben, und kündigten an, dass sie ihr Wissen ins Land tragen wollen und bald wohl noch mehr Interessenten bei den Machern des Freien WLAN in Arnsberg Rat einholen werden. Etzler und Wagner sagten ihre Unterstützung zu, doch Etzler bat auch, die Anrufe über die Geschäftsstelle des Verkehrsvereins zu kanalisieren. Denn zwischendurch müsse er such noch etwas Geld verdienen.