Sundern. Klaus-Rainer Willeke hat am Mittwoch bekanntgegeben, dass er bei der Kommunalwahl am 13. September 2020 als Bürgermeister für Sundern kandidieren will. Der VHS-Leiter mit grünem Parteibuch verspricht als unabhängiger Bewerber für das Bürgermeisteramt einen politischen Neuanfang, zusammen mit den Bürgern. Den hätte Sundern dringend nötig. Ein Kommentar von Ludwig Greven.
Der Neubeginn wurde verpasst
„Wenn Du glaubst, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her“: Man muss nicht den kitschigen Sinnspruch aus dem Poesiealbum bemühen. Aber die Situation in der Stadt mit ihren vielen unterschiedlichen, zum Teil gegensätzlichen Interessen, der verkorksten Lage in den meisten Parteien und im Rat und dem weitgehenden Stillstand im Rathaus seit vielen Jahren wirkt in der Tat ziemlich finster. So empfinden es zumindest viele Bürgerinnen und Bürger und auch eine Menge Leute in den Parteien, im Rat, in den Verbänden und auch in der Verwaltung. Der Neubeginn, der 2015 mit dem Wechsel an der Spitze im Rathaus und der Verwaltung möglich gewesen wäre, wurde verpasst – so der sehr einhellige Tenor.
Könnte der 61jährige Hagener Ortsvorsteher Klaus-Rainer Willeke, der jetzt seine Bewerbung als „freier Kandidat“ für die Bürgermeisterwahl am 13. September 2020 bekanntgab, es besser machen als SPD-Amtsinhaber Ralph Brodel? Das ist noch schwer zu beurteilen. Der Zeitpunkt seiner Bewerbung ist immerhin günstig. Und was er verspricht, scheint vernünftig und angemessen. „Die Leute schämen sich fast in Sundern zu wohnen“, sagte er der Westfalenpost. Aber er verweist nicht nur auf die vielen Skandale, die zum Großteil noch aus der CDU-Zeit stammen, und auf die großen Herausforderungen. Sondern er stellt die Chancen in den Vordergrund.
Willeke will Entwicklungsprozess leiten und moderieren
Die Stadt sei „stärker und hat mehr Potenzial, als es die politische Situation im Rat und die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit erkennen lässt“, sagte Willeke, der seit 2012 die Volkshochschule Arnsberg-Sundern leitet und darauf verweist, dass er dadurch recht gut vernetzt sei nicht nur in seinem Ortsteil und seiner Heimatstadt. „Die zukunftssichere Entwicklung der Dörfer und der Kernstadt, die Zusammenarbeit der politischen Kräfte, die Entfaltungsmöglichkeiten der Stadtverwaltung, der Unternehmen und Vereine – in allen diesen Bereichen gibt es viel zu tun“, Das gehe jedoch nur zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern und den Akteuren in der Stadt und der Verwaltung, die er zusammenbringen will.
Seine eigene Rolle sähe Willeke, wenn gewählt würde, darin, den Entwicklungsprozess zu leiten und zu moderieren. Das ist schon mal ein ganz anderer Ansatz und Anspruch, als ihn der jetzige Bürgermeister verfolgt, der bei seiner Wahl und danach zwar viel von Transparenz und Beteiligung der Bürger gesprochen hatte, das nach der Wahrnehmung vieler von ihnen allerdings bis heute nicht umsetzt. Auch von einer gedeihlichen Zusammenarbeit im und mit dem Rat ist wenig zu spüren, zumindest nach außen und auf der politischen Leitungsebene.
Ralph Brodel will sich aus dem Amt heraus wieder bewerben
Entsprechend unübersichtlich war bislang das Kandidatenfeld für die Bürgermeisterwahl. Fest stand bislang nur, dass Brodel sich aus dem Amt heraus wieder bewerben will. Diesmal ohne Bündnis wie 2015 und ohne sichere Aussicht auf eine Mehrheit bei der Direktwahl. Ob die – trotz der Nicht-Abwahl ihres Vorsitzenden Serhat Sarikaya – nach wie vor tief zerstrittene SPD ihn unterstützen wird, ist völlig offen.
Die CDU sucht ebenfalls noch nach einem oder einer Kandidatin. Zwei Aspiranten, darunter der der jetzige Vize-Bürgermeister Georg Te Pass, und eine Bewerberin konkurrieren in einem offenen Auswahlverfahren um die Kandidatur. Altbürgermeister Detlef Lins, den die CDU 2015 wegen laufender Strafermittlungen gegen ihn nach zähem Ringen nicht wieder aufgestellt hatte, sondiert eine erneute Kandidatur auf eigene Faust, sogar mit Vertretern extrem anderer Parteien – gegen seine Partei.
Die Grünen sind gleichfalls gespalten: Ratsmitglied Antonius Becker liebäugelt dem Vernehmen nach mit einer Kandidatur. Fraktionschef Guido Simon dagegen unterstützt Brodel, den seine Partei 2015 zusammen mit SPD, FDP, WiSu und den Linken ins Amt gebracht hatte und der bei ihm auf seinem Biohof als Untermieter wohnt. WiSu und die von ihr abgespaltene Liste BFS wissen noch nicht, wie sie sich verhalten sollen.
Relative Mehrheit bei der Bürgermeisterwahl genügt
Die Chancen für Willeke stehen also gar nicht mal so schlecht. Zumal es – nach derzeitiger Gesetzeslage – keine Stichwahl geben wird. Er bräuchte daher keine absolute Mehrheit, genauso wie Brodel und andere Bewerber. Eine relative Mehrheit würde ihm genügen: er müsste lediglich mehr Stimmen bekommen als die Konkurrenten.
Ob das allerdings reichte, die zum Teil verfeindeten Lager in den Parteien und im Rat wieder zusammenzuführen? Denn auch dort bräuchte Willeke eine Mehrheit, um seine Vorhaben zu verwirklichen. Deshalb will er mit allen Parteien sprechen, kündigt er an. Und er hat ja noch fast ein Jahr, sich und sein Programm genauer vorzustellen und sich um eine Mehrheit unter den Wählerinnen und Wählern zu bemühen.
Mit seiner Bewerbung hat er jedenfalls Bewegung in eine sehr verfahrene Lage in der Gemeinde gebracht. Das alleine ist schon mal gut.
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