Arnsberg. Egbert Neuhaus, Vorsitzender des Unternehmensverbands Westfalen Mitte, ist optimistisch, dass sich die Wirtschaft in der Region 2015 noch besser entwickeln wird, als es die Unternehmer selbst in der aktuellen Konjunkturumfrage erwartet haben, die Neuhaus am Freitag zusammen mit Volker Verch, dem Hauptgeschäftsführer des Verbands, in Neheim vorstellte. Denn der deutliche Rückgang des Ölpreises in den letzten Wochen sei in dieser Umfrage von Anfang Dezember noch nicht eingepreist, so Neuhaus. Der Ölpreisverfall werde wie ein Schmiermittel für die Wirtschaft wirken und nach seiner persönlichen Einschätzung zusammen mit dem niedrigen Euro, der die Exporte ankurbele, ein riesiges Konjunkturpaket bilden.
Konjunkturumfrage zeigt heterogene Lage
Das Ergebnis der Konjunkturumfrage hat Egbert Neuhaus nicht wirklich überrascht, denn es unterscheidet sich nicht wesentlich von dem des Vorjahres. “Die Mehrheit der Unternehmen ist derzeit mit ihren Erträgen zufrieden und geht mit vorsichtigem Optimismus ins neue Jahr. Die Angaben der Unternehmen zur Geschäftserwartung verdeutlichen aber auch die heterogene Lage der heimischen Wirtschaft. Zwar geht es der Mehrheit derzeit gut, aber ein nicht zu vernachlässigender Teil der Betriebe befindet sich in keiner guten Verfassung oder rechnet mit einer Verschlechterung in den kommenden sechs Monaten.“ Signifikante Unterschiede zwischen dem Hochsauerland, der Soester Börde und dem Raum Unna/Hamm, die zusammen das Verbandsgebiet bilden, gibt es dabei nicht.
73 Prozent sehen Ertragslage gut oder befriedigend
Beteiligt haben sich rund ein Drittel aller etwa 360 Mitgliedsbetriebe des Verbandes mit insgesamt 29.000 Beschäftigten und über 1100 Auszubildenden. Zum Ende des vergangenen Jahres bewerteten 73 Prozent der Unternehmen ihre momentane Ertragslage als gut oder befriedigend. Über ein Viertel meldet allerdings schlechte Erträge. Schlechtere Erträge für 2015 befürchtet sogar über ein Drittel der Unternehmen.
Vertrauen in Nachbarn im Euro-Raum wächst wieder
„Erstaunlich bei den Krisen in der Welt“ findet Neuhaus, dass das Auslandsgeschäft insgesamt besser eingeschätzt wird als das Inlandsgeschäft. 56 Prozent der Firmen rechnen mit gleich vielen oder sogar steigenden Bestellungen aus dem Inland, das Exportgeschäft wird von knapp 70 Prozent der teilnehmenden Betriebe durchaus positiv eingeschätzt. Die Ursache für die optimistischere Einschätzung des Exportgeschäfts auch im Vergleich zum Vorjahr vermutet Neuhaus darin, dass das Vertrauen in den europäischen Markt langsam wieder ansteige, weil die Maßnahmen der europäischen Nachbarn gegen ihre Wirtschaftskrisen Erfolge zeigten.
Rußland-Krise trifft wenige, einige aber hart
Nur knapp zehn Prozent der Betriebe gaben an, dass sie von der Rußland-Krise stark betroffen seien. da seien Nachbarregionen wie das Siegerland mit seinem Maschinenbau und das Münsterland mit dem Traktorenbau wesentlich stärker betroffen, so Neuhaus. Doch auch in dieser Region hätten sich einige eine blutige Nase geholt, weil ihr Rußland-Geschäft implodiert sei. Noch bestehe aber Hoffnung auf Besserung und die teuren Vertriebsteams seien noch nicht aufgelöst worden.
90 Prozent halten Belegschaft stabil oder stocken auf
„Auch in unserer aktuellen Umfrage zeigen sich die Unternehmen tendenziell investitionsbereit und signalisieren damit, dass sie den kommenden Monaten mit vorsichtigem Optimismus entgegen sehen. Das zeigt sich auch in der Personalpolitik der Betriebe. Annähernd drei Viertel aller teilnehmenden Unternehmen halten an ihren Belegschaften fest, 15 Prozent wollen sogar aufstocken“, so Neuhaus.
Appell an Banken: „Nicht so übervorsichtig“
An die Banken, die derzeit vielfach nicht wüssten, wo sie ihr Geld unterbringen sollten, appellierte Neuhaus, nicht übervorsichtig zu sein. Das Geld sei schließlich da, aber es müsse auch in der Wirtschaft platziert werden und seinen Adressaten finden.
Die leider viel zu häufigen internationalen Krisen machen auch Neuhaus und Verch Sorgen. Kriegerische Auseinandersetzungen oder Abschläge könnten schnell dazu führen, dass alle optimistischen Prognosen zu Makulatur werden. „Das können wir nicht beeinflussen, wir können nur hoffen, dass nicht alles zusammen kommt,“ so Volker Verch.
Fachkräftemangel trifft immer mehr Unternehmen
Ein Problem, dass die heimische Wirtschaft auch trifft und das auch beeinflusst werden kann und soll, ist der Fachkräftemangel. „Je spezieller, desto schwieriger wird es, Stellen mit qualifizierten Leuten zu besetzen,“ so Neuhaus. Über ein Drittel der Unternehmen kann laut Umfrage freie Stellen nicht mehr zeitnah neu besetzten. Über 40 Prozent der Unternehmen befürchten, dass sie in kurzer Zeit ebenfalls in diese Situation kommen werden. Vor diesem Hintergrund gewinnen die Bereiche Ausbildung und Qualifizierung an Bedeutung. Knapp 20 Prozent werden im kommenden Jahr ihr Angebot an Ausbildungsplätzen erweitern, 70 Prozent werden es im vollen Umfang beibehalten.
90 Prozent der Betriebe unterstützen berufliche Weiterbildung
Auch die Qualifizierung der Fachkräfte ist ein wichtiges Thema in den Unternehmen. 90 Prozent haben angegeben, dass sie Mitarbeiter in ihrer beruflichen Weiterbildung unterstützen. Neuhaus: „Das bedeutet, dass den Betrieben sehr bewusst ist, wie wichtig Aus- und Weiterbildung sind. Es reicht heute nicht mehr aus, zu Beginn einer Berufstätigkeit eine Ausbildung zu absolvieren. Entscheidend für den dauerhaften Erfolg eines Unternehmens ist, es ist, das Know-how der Belegschaft auf dem neuesten Stand zu halten. Die Unternehmen investieren in ihrer Mitarbeiter, indem sie den durch die Qualifizierungsmaßnahme entstehenden Arbeitsausfall tragen und die Kosten der Fortbildung mitfinanzieren.“
Wichtig sei auch, so Neuhaus, dass die Region so attraktiv sei, dass die qualifizierten Leute auch hier bleiben. Da müsse dran gearbeitet werden, doch hierbei sei er ganz cool und entspannt, denn es seien schon so viele auf diesem Pfad, dass es gelingen müsse.
Tarifrunde: „Punkt Inflationsausgleich fällt erstmals weg“
Mit Spannung sieht Egbert Neuhaus der in der kommenden Woche in Siegen beginnenden Tarifrunde entgegen. Denn da gebe es ja ein Novum. Erstmals gehe man mit einer Inflationsrate von nahezu Null in Tarifverhandlungen. Die Gewerkschaftsforderung habe traditionell drei Komponenten – Inflation, Produktivitätsfortschritt und Umverteilung. Er sei gespannt, wie die IG Metall darauf reagiere, dass Punkt 1 jetzt ja wohl wegfalle. Konkrete Zahlen, wie er sich einen Abschluss vorstellen könne, ließ sich der Vorsitzende des Unternehmensverbands nicht entlocken. Er forderte allerdings, dass Rücksicht genommen werden müsse auf die Betriebe, denen es nicht so gut gehe. Beim Punkt Altersteilzeit geht er davon aus, dass eine zufriedenstellende Lösung gefunden wird. Bei der Forderung der Gewerkschaft zum Thema Qualifizierung beruft sich Neuhaus auf die Umfrageergebnisse, dass freiwillig so viel getan werde, dass es keiner tarifvertraglichen Regelung bedürfe. Die Unternehmer dürften nicht verpflichtet werden, alles und jedes zu finanzieren, was mit der betrieblichen Wirklichkeit nichts zu tun habe. „Über einige Punkte kann man sich sehr schön streiten und das werden wir auch tun,“ sagte Volker Verch mit Blick auf die zunächst drei festgemachten Verhandlungstermine. „Wir sind kompromissbereit, aber es muss alles einen Sinn machen,“ fügte Egbert Neuhaus hinzu.